Wenn Angst krank macht.
Wann ist Angst völlig normal und wann wird sie zur Erkrankung? Woran erkenne ich den Unterschied und wie lassen sich krankhafte Angststörungen verhindern?
Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: In letzter Zeit ist Angst unser ständiger Begleiter. Doch dies ist kein Grund, sich zu schämen. Denn „schließlich ist Angst die völlig natürliche Reaktion auf diese als Bedrohung erlebten Situationen“, stellt Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der HAKU-Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck, klar. „Evolutionsgeschichtlich ist Angst äußerst sinnvoll, um sich vor einer realen oder zu erwartenden Gefahr zu schützen bzw. sich gar nicht erst darein zu begeben“, so der Experte.
Angst begleitet uns das ganze Leben. Denn „von Geburt an sind wir alle unbekannten und gefährlichen Situationen ausgesetzt – und das seit Menschgedenken“, erläutert Dr. Hagemann. „Was Angst auslöst, bzw. wovor ich mich konkret fürchte, ist ganz unterschiedlich und hängt zu einem beträchtlichen Grad von individuellen Lern- und Lebenserfahrungen ab“, führt der Experte aus. „Junge Menschen haben weniger Erfahrungen mit dem „was so alles passieren kann“, also mit möglichen Risiken und Gefahren als ältere Mitbürger. Dementsprechend gehen sie mehr Risiken ein.“
Darüber hinaus spiegelt Angst auch immer die jeweilige Zeit wider: Eine Anekdote von 1825 berichtet z.B. von der beängstigenden Tatsache, dass die erste Eisenbahn eine „krankmachende Geschwindigkeit“ erreichen kann. „Angst ist also immer auch kontextabhängig“, betont Dr. Hagemann.
Aufklärung reduziert Ängste
Vor beängstigenden Fehleinschätzungen und Irrtümern schützen fundierte Informationen. Denn: Mit dem Wissen wächst in der Regel auch die Sicherheit. „Je mehr ich über lebensbedrohliche Krankheiten oder Krisen weiß, desto besser kann ich die Situation beurteilen, mir selbst ein Bild machen, statt in diffuse Panik zu geraten,“ betont Dr. Hagemann. „Auch wenn selbst die besten Informationen natürlich längst nicht alle Ängste und Bedenken ausräumen können.“ Erschwerend kommt hinzu, „dass ich bei der Flut an Fakten und Quellen heute noch weniger als früher weiß, wem ich fachlich „trauen“ kann“, ergänzt der Facharzt. Welche Informationen sind „die Richtigen“ und welche hingegen „Fake News“? Der persönliche Tipp des Experten: „Cui bono – Ich frage mich in solchen Situationen regelmäßig, was hätte mein Gegenüber davon, mich absichtlich in die Irre zu führen? Dadurch kann es gelingen die Motive anderer zu erkennen, zumindest teilweise.“
So entstehen Angststörungen
Angst bedeutet im Grunde genommen nichts anderes als Stress. „Dass chronischer Stress zu einer erhöhten Anfälligkeit für Erkrankungen, insbesondere auch Viruserkrankungen, führt, ist lange bekannt“, erklärt Dr. Hagemann. „Kurzfristig ist eine stressige Situation aber kein Problem“, so der Psychiater. Im Gegenteil: „Durch den Anstieg des Cortisols kann die Immunabwehr sogar steigen.“
Hält der Zustand allerdings länger an, können dadurch ernsthafte gesundheitliche Probleme entstehen, insbesondere bei etwaigen, vielleicht sogar noch unentdeckten Vorerkrankungen. Deshalb empfiehlt es sich Stress vorzubeugen, bzw. diesen frühzeitig abzubauen. Hilfreich sind unter anderem regelmäßiger Ausdauersport, kontinuierliche Entspannungsverfahren wie etwa Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation, Positives Denken (durch entsprechende Programme), Sport und andere ausgleichende Freizeitaktivitäten und angenehme soziale Kontakte.
Neben der erblichen Veranlagung fördern vor allem bestimmte Profile der Persönlichkeitsstruktur (mangelnde Kritiktoleranz, fatalistische Einstellung, Perfektionismus) die Entstehung von Angsterkrankungen. Auch Kindheitserfahrungen und -defizite (also etwa mangelnde Geborgenheit, Vernachlässigungen, Angsterkrankungen in der Familie etc.) sind relevant. „Meist ist nicht ein einzelner Faktor Auslöser einer Angst- oder Panikerkrankung, sondern eine Vielzahl an Faktoren“, sagt Dr. Hagemann. Oftmals finden sich in den Berichten Betroffener belastende Lebensereignisse: „Stress-Situationen, wie der Tod des Partners oder der Arbeitsplatzverlust, aber auch eine anstehende wichtige Klausur gehen häufig einer Panikattacke voraus“, erläutert Dr. Hagemann. Oft werden diese begleitet von Unruhe, Schlafstörungen sowie anderen Symptomen.
Vielfach werden die Symptome von den Betroffenen ignoriert oder relativiert – und Panikattacken somit erst spät diagnostiziert. „Dabei sind die Erfolgsaussichten einer Behandlung sehr gut“, betont Dr. Hagemann.
Experten setzen vielfach auf Verhaltenstherapie
Während Höhenangst, Klaustrophobie und andere spezifische Phobien nur in seltenen Fällen professionelle Hilfe erfordern, lassen sich Angst- und Panikstörungen sehr oft nur durch eine therapeutische Behandlung in den Griff bekommen. Auf Basis einer ausführlichen Patienten-Anamnese (Krankheitsgeschichte) und Diagnostik erstellen Experten individuelle Behandlungspläne.
Insbesondere die Verhaltenstherapie gilt bei Angststörungen als erfolgsversprechend: In rund 80 Prozent aller Fälle kann den Patienten erfahrungsgemäß geholfen bzw. die Zunahme weiterer Symptome verhindert werden. „Verzichtet der Betroffene auf eine Therapie, so nehmen die Beschwerden in der Regel zu, was weitreichende Beeinträchtigungen haben kann – insbesondere auch für das soziale Leben, also Familie, Arbeit, Freunde“, berichtet Dr. Hagemann. Statt sich mit seinen Beschwerden auseinanderzusetzen, versuchen die Erkrankten alle Situationen zu meiden, die sie in Bedrängnis bringen könnten. „Vielfach steigern sie sich in ihre Ängste regelrecht hinein und bewirken genau das, was sie zu verhindern versuchen“, warnt Dr. Hagemann. „Sie geben der Angst mehr Raum und versuchen diese durch die „Vogel-Strauss-Taktik“ zu ignorieren.“
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