Was ist eigentlich eine „Doppeldepression“?
Verstimmungen oder Schwermut kennen wir alle. Doch was verbirgt sich hinter der Diagnose „Doppeldepression“? Wir fragten nach bei einem Experten …
Depressionen sind ein Volksleiden. Experten gehen davon aus, dass hierzulande ca. vier bis fünf Millionen Menschen von dieser psychischen Erkrankung betroffen sind. Doch nicht immer sind die Beschwerden gleich schwer: Ca. 20 bis 25 Prozent aller Betroffenen leiden unter einer weniger prägnanten Form der Schwermut, der sogenannten Dysthymie. „Die typischen Symptome – unter anderem Trauer, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung – gleichen zwar denen einer Depression, sind aber weitaus schwächer ausgeprägt“, erläutert Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der HAKU-Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck.
Trotz meist weiterer Beschwerden (wie etwa Appetitlosigkeit oder Schlaf- und Konzentrationsstörungen) schaffen es die Betroffenen in der Regel, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Vielfach nehmen sie deshalb auch keine fachärztliche Hilfe in Anspruch. „Ihre Erkrankung bleibt somit oft jahrelang unbehandelt – und das trotz vielversprechender Behandlungserfolge“, berichtet der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. „Studien zeigen, dass die Kombination von Psychotherapie und Antidepressiva bei drei von vier Patienten anspricht.“
Fatal wird es, wenn zu der chronischen Niedergeschlagenheit eine depressive Episode hinzukommt (beispielsweise durch einen Jobverlust oder andere einschneidende Ereignisse) und somit buchstäblich eine „Doppeldepression“ entsteht. „Diese ist zwar sehr selten“, betont Dr. Hagemann, „aber für Betroffene äußerst belastend.“ Vielfach ist es ihnen zum Beispiel unmöglich, morgens früh aufzustehen. „Sie isolieren sich oft völlig und sind nicht mehr in der Lage, ihrem Berufs- oder Privatleben nachzukommen“, berichtet der Experte.
Multimodale Therapiemethoden helfen
Wirksame Hilfe bieten kann in diesen schwerwiegenden psychischen Phasen eine fachlich qualifizierte Psychotherapie und zusätzliche medikamentöse Unterstützung. Bewährt haben sich insbesondere intensive multimodale Therapiemethoden mit verschiedenen verbalen, nonverbalen und medikamentösen sowie soziotherapeutischen Ansätzen. „Am besten untersucht sind Behandlungen mit der kognitiven Verhaltenstherapie“, so Dr. Hagemann.
Wichtig ist zudem eine intensive Aufklärung der Betroffenen. „Dadurch verstehen sie, was die Erkrankung ist, was sie bedeutet und welche Möglichkeiten der Behandlung existieren“, erläutert der Facharzt. „Diese Vielzahl an Methoden hilft ihnen, sich selbst und ihre Umwelt positiver wahrzunehmen und Verständnis für sich und ihre Erkrankung zu bekommen sowie erneute Symptome schnell erkennen zu können.“
Betroffene zögern zu lange
Doch viele Erkrankte zögern trotz der Verschlechterung ihrer Situation die dringend erforderliche Behandlung weiterhin hinaus. „Meist jahrelang an die Symptome gewöhnt, nehmen sie die akute Verschlechterung ihrer Beschwerden vielfach als „natürliche“ Entwicklung wahr“, erläutert Dr. Hagemann. Dabei gilt auch hier, wie bei allen depressiven Beschwerden: Je früher der Therapeut bzw. Facharzt konsultiert wird, desto kürzer die Erkrankung und umso effektiver die Ergebnisse.
Verhindern lässt sich eine Doppeldepression nach Meinung vieler Experten – wenn überhaupt – nur durch eine frühzeitige Behandlung der vorausgehenden Dysthymie. Diese tritt in den meisten Fällen bereits im jungen Erwachsenenalter auf. Frauen sind (wie bei allen depressiven Erkrankungen) generell etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Neben der genetischen Veranlagung sehen Wissenschaftler das Zusammenspiel bzw. die Wechselwirkung biologischer Faktoren (Hirnstoffwechselstörungen) und psychosozialer Momente (Jobverlust, private Trennung etc.) als wesentliche Ursache. Auch ein offenerer Umgang mit psychischen Beschwerden führt dazu, dass bei Frauen weitaus häufiger eine Depression diagnostiziert wird.
Eigen-Initiative fördert den Behandlungserfolg
Neben therapeutischer Unterstützung hilft auch Eigeninitiative bei der Überwindung von Depressionen. Dabei gilt Sport als wahrer „Glücksbringer“. Denn wer regelmäßig joggt oder in die Pedale tritt, der fördert die Produktion des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn – und somit das Gefühl für Glück und Freude. Dabei ist es für einen Start eigentlich nie zu spät – das Okay des Hausarztes vor dem ersten Training vorausgesetzt.
Wer Sport nichts abgewinnen kann, der sollte trotz des Antriebsverlustes versuchen, möglichst täglich einen längeren Spaziergang zu unternehmen – auch wenn es draußen nass und kalt ist. Denn selbst ein wolkenverhangener Himmel lässt noch Sonnenlicht durch und wirkt so regelrecht belebend. Schließlich wird stimmungsförderndes Vitamin D zu 90 Prozent durch UV-Strahlung gebildet – und damit steht es vor allem in der lichtarmen Jahreszeit in unseren Breitengeraden bekanntlich nicht zum Besten.
Ausreichender Schlaf, der mäßige Genuss von Alkohol, Nikotin und Kaffee sowie die Vermeidung wiederkehrender Überforderungssituationen sind weitere wirkungsvolle Faktoren im Kampf gegen Verstimmungen. Doch einen sicheren Schutz davor gibt es nicht. Schließlich kann niemand sehr belastende Erlebnisse, wie etwa die Trennung von einem geliebten Menschen, oder andere Schicksalsschläge voraussehen – oftmals akute Auslöser tiefgehender psychischer Krisen.
Weitere passende Beiträge
Wie können wir Ihnen helfen? Telefon 02403 – 78910 oder schreiben Sie uns eine Nachricht.