Psychoonkologie

Systemische Psychoonkologie stärkt die seelischen Energien – heilt aber nicht den Krebs.

Mit dem Renteneintritt hatten er und seine Frau sich vorgenommen, viele Kreuzfahrten zu unternehmen. Das Leben war zuvor von viel und harter Arbeit geprägt, wodurch für das Pflegen von Privatleben und Freundschaften zu kurz gekommen war. Seine Frau hatte sich immer um Kinder, Haushalt und Büroarbeiten gekümmert. Und lag ihm bereits lange in den Ohren gelegen zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen, besonders aus dem Grund, dass es in seiner Familie eine Prädisposition zu Krebserkrankungen gibt. Jedoch hat er sich mit Hinweis auf berufliche Verpflichtungen lange und erfolgreich davor gedrückt. Zuletzt hatte sie aufgegeben, mit ihm das Gespräch über ihre Sorgen um seine Gesundheit zu führen und keine eigenen Wünsche mehr geäußert. Alles hatte sich nur noch um seinen Beruf gedreht. Sie wirkte zunehmend enttäuscht vom Leben.

Nun ließ er sich auf eine Vorsorgeuntersuchung ein. Im Anschluss an diese ereilte der Arzt ihm die Diagnose, dass auch er an Krebs erkrankt ist. Seine Frau geriet außer sich vor Ärger und Wut, weil er nicht schon früher auf sie gehört hatte. Er verfiel in eine tiefe Depression mit Antriebsstörung, Verlust von Interesse und Eigeninitiative. Er erlebte sich als fremdbestimmt, nicht mehr seiner selbst. Aber auch ihr fiel es schwer, sich mit seiner Erkrankung, Ihrer Wut und Enttäuschung auseinanderzusetzen.

Eine lebensbedrohliche Erkrankung wie Herzinfarkt, Krebs oder auch ein schwerer folgenreicher Unfall stellt jeden Menschen vor eine große Herausforderung. Nicht nur, dass der Körper besondere Aufmerksamkeit verlangt, die er vielleicht nie in dieser Intensität erhalten hat. Das eigene Lebenskonzept hat es nicht vorgesehen, nicht Herr über sich selbst zu sein. All das hat häufig zur Folge, dass emotionale Ressourcen wie Familie und Freundschaften vernachlässigt werden. Bis zu diesem Punkt wurde der berufliche Erfolg als adäquater Lohn für die Anstrengungen wahrgenommen. Die darin begründete Selbstaktualisierung lange Zeit befriedigt. Der intime Dialog in der Ehe oder mit Freunden könnte die eigene Reflexion und Besinnung auf Wesentlicheres fördern, kommen jetzt jedoch zu kurz.

Nicht jeder, der an Krebs erkrankt, benötigt eine psychotherapeutische – in dem Zusammenhang psychoonkologische – Behandlung (Psychoonkologie). Jeder lebt in mehr oder weniger tragenden Beziehungssystemen, wie einer Partnerschaft, Familie, Großfamilie oder Freundeskreis. Hier wird viel emotionaler Rückhalt gegeben, Verständnis gezeigt und tatkräftig geholfen. Die Menschen sind vertraut miteinander und verfügen über ein Wissen, wie dem Einzelnen geholfen werden kann – meistens wenigsten.

Wenn die in der Partnerschaft gelebte Kommunikation jedoch nicht mehr ausreicht, um befriedigende Lösungen und Ziele zu formulieren, bedürfen beide der Gesunde wie der Erkrankte der Hilfestellung. Die Verarbeitung der Erkrankung fordert beide heraus. Die Auseinandersetzung mit Enttäuschung und Wut, Verzweiflung und Besorgnis, aber auch mit Hoffnung und Ängsten gehört dazu. Diese Unterstützung erfahren sie zu vorrangig in Familie und von Freunden. Bei ausgeprägten ängstlichen und depressiven Störungen jedoch ist professionelle Hilfe notwendig, in die oft auch der Ehepartner mit einbezogen wird.

*Bei den genannten Themen handelt sich um konstruierte Fallgeschichten.

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Veröffentlicht am: 25. Mai 2022

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