Kontrollverlust

Krisen ohne Ende: Keine Angst vor dem Kontrollverlust

Das Leben im Krisenmodus stellt buchstäblich alles auf den Kopf: Wo bisher Sicherheit und Planung herrschten, dominieren plötzlich Ungewissheit und Hilflosigkeit. Wie wir mit diesem Kontrollverlust nicht nur in Krisenzeiten besser umgehen können, erläutert ein Experte.

Corona, Klimawandel, Inflation, Ukraine-Krieg, Gaza-Konflikt – zurzeit scheint buchstäblich alles außer Kontrolle geraten zu sein. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen angesichts dieser Dauer-Katastrophen hilflos und ohnmächtig fühlen. „Sie vermissen das Gefühl, das Leben frei planen und kontrolliert handeln zu können – ein Grundbedürfnis des Menschen“, erläutert Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der auf Psychosomatik spezialisierten Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck.

Vielfach gehen Frustration und Wut mit einem Kontrollverlust einher. Neben starken negativen Gefühlen sind Herzrasen, Schwindel, Übelkeit und Zittern weitere typische Begleiterscheinungen. „Tritt der Kontrollverlust plötzlich ein – etwa im Rahmen von Unfällen, Naturkatastrophen, Kriegen oder körperlichen Gewalterfahrungen –, wird er oftmals sogar als lebensbedrohlich empfunden“, so Dr. Hagemann weiter. „Der Kontrollverlust kann nicht angemessen verarbeitet werden und sich so stark festsetzen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht.“ Immer wieder wird das Erlebte von den Betroffenen in der Erinnerung durchlebt: „Es ist so, als wäre die Situation akut und nicht abgeschlossen. Der Betroffene befindet sich somit in permanenter Gefahr und folglich in Angst und Alarmbereitschaft. Vielfach flüchtet er auch in ein Vermeidungsverhalten, meidet also alle vermeintlich bedrohlichen Situationen.“

Panische Angst vor Kontrollverlust  

Ist die Angst vor Kontrollverlust und Hilflosigkeit sehr stark, so versuchen Betroffene häufig dem mit allen Mitteln entgegenzusteuern. „Dieses krampfhafte Streben nach möglichst viel Kontrolle und Sicherheit wird als existentiell notwendig erlebt und kann sich zu erheblichen psychischen Beschwerden entwickeln“, erläutert der Experte. Oftmals kommt es in diesen Fällen zu Angst- und Zwangsstörungen, Panikattacken, Depressionen und Phobien. Möglich sind auch Essstörungen wie etwa eine Magersucht, in der Betroffene eine enorme Kontrolle über den eigenen Körper ausüben.“

So bleiben Sie handlungsfähig

Wann sollten Betroffene fundierte Hilfe suchen? „Generell gilt: Bei länger anhaltenden belastenden Symptomen ist möglichst früh therapeutische Hilfe empfehlenswert“, rät Dr. Hagemann. „Also bevor sich die Angst vor dem Kontrollverlust zu einer Angsterkrankung oder die Verstimmung zu einer Depression entwickelt.“ Denn: „Wird irgendwann alles zu viel, sucht sich dieses Zuviel ein Ventil. Vieles ist dann nicht mehr rational gesteuert und gerät außer Kontrolle“, weiß der Facharzt aus jahrelanger Praxis. „Hier ist professionelle therapeutische Begleitung erforderlich, um zu lernen mit der Angst umzugehen, einen Kontrollverlust zulassen und das Gefühl von Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung zu stärken.“

Und was kann ich selbst tun? Entspannungsübungen helfen ebenso wie Sport dabei, Angstattacken entgegenzusteuern, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln und auf andere Gedanken zu kommen. Ebenso hilfreich: wenig Alkohol, ausreichender Schlaf und angenehme soziale Kontakte.

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Veröffentlicht am: 22. November 2023

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